
Müssen Unternehmer ihr Leben dem Unternehmen widmen und immer präsent sein?
Wieder sind einige Jahre ins Land gegangen. Mittlerweile arbeiten bis auf Anna auch die jüngsten Geschwister im wachsenden Unternehmen. Ständig kommen neue Geschäftsfelder hinzu, der Gewürzhandel mit Indien, die Münzprägung für die Päpste und vieles mehr. Inzwischen ist das Unternehmen so reich, dass einige Kaiser und Könige Kreditnehmer der Kaufmanns sind.
Günther der Gütige ist alt geworden und hat sich komplett aus den Geschäften herausgenommen. Testamentarisch hat er verfügt, dass alle künftigen Nachkommen, die eine Position im Familienunternehmen einnehmen möchten, studieren und fremde Sprachen lernen müssen. Aus seiner Erfahrung in der Vergangenheit will er damit verhindern, dass Nachkömmlinge einen Platz beanspruchen, für den sie nicht geeignet sind.
Der erste Vertrag mit genauen Bestimmungen zur Ausübung des gemeinsamen Handelns und der Anteile ist zwischenzeitlich schon einmal überarbeitet worden und hat nach damals erneuten Streitigkeiten wieder zu einem Konsens geführt.
Mit den jüngsten Geschwistern ist nun eine neue Generation mit einem neuen Weltbild herangewachsen. Die Jüngsten der Kaufmannsfamilie wurden etwas verwöhnt. Die Eltern hatten bei ihnen nicht mehr das starke Bedürfnis, diese früh auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten und ihnen ein hohes Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein abzuverlangen. Sie lieben ihre Hobbys. Gleichzeitig sind sie aber auch interessiert, im Unternehmen mitzuwirken und auch ihre berufliche Ausbildung darauf angepasst.
Die älteren sind es gewohnt, ihr komplettes Leben auf die Belange des Unternehmens auszurichten. Die jüngeren sind der Ansicht, dass es ausreichend ist, für die wichtigen Entscheidungen im Unternehmen erreichbar zu sein und Aufgaben, die delegiert werden können, auch konsequent zu delegieren.
Hier prallen zwei Weltbilder aufeinander! Bei jedem Zusammentreffen mit den ältesten Geschwistern kommt es zu Auseinandersetzungen darüber, wie viel Zeit man denn in einem Unternehmen verbringen müsse, um es erfolgreich zu führen.
Vera Knauer, Expertin für Nachfolgeberatungen in Familienunternehmen, erklärt hierzu: Weit verbreitet ist die Annahme, dass eine Unternehmerfamilie sich dafür entscheiden muss, ob sie die Familie oder das Unternehmen priorisiert. Im Grundsatz geht es darum, ob das Unternehmen der Familie als Ertragsquelle dienen soll, oder umgekehrt, die Familie vor allem dem Unternehmen dienen soll. Klaffen hier die Weltbilder der potentiellen Unternehmensnachfolger zu weit auseinander, wird eine operative Führung nahezu unmöglich.
Generell wird es erforderlich sein, die traditionellen Werte des Familienunternehmens im Hinblick auf das Führungsmodell neu zu gestalten. Die Führungskräfte der Generation Y sind meist nicht mehr bereit, ihr Leben bedingungslos ihrer Arbeit zu unterwerfen. Sie definieren sich durchaus über den Erfolg im Beruf und wünschen sich auch die Zugehörigkeit zum Unternehmen. Sie fordern aber auch die Anpassung der Arbeitsformate an die entsprechende Lebensphase.
Sind im Gesellschafterkreis noch Führungskräfte der Babyboomer-Generation oder der Generation X eingesetzt, können Konflikte entstehen. In einem moderierten Dialog lassen sich Konflikte über unterschiedliche Vorstellungen gut lösen.
Im Rahmen einer Gesellschafter-Charta wird geprüft, inwieweit Vereinbarungen den Interessen des Unternehmens, als auch der Familie, gerecht werden. Diese muss auch einen Schlüssel zur gerechten Honorierung beinhalten, der die unterschiedliche Arbeitszeit im Unternehmen berücksichtigt.
Mit den Dynamiken von Familienunternehmen vertraute Berater und Mediatoren sind in diesen Fällen hervorragende Begleiter als „neutrale Dritte“.
Bildquelle: Julius Hübner; Skizze zum Bild der Familie Hübner – Bendemann