Angeheiratete Familienmitglieder – ist der Ärger vorprogrammiert?
Aus der Beratung von Nachfolgen in Familienunternehmen wissen wir, dass das Thema “angeheiratete Familienmitglieder” sehr präsent ist. „Eine Voraussetzung für den Fortbestand eines Familienunternehmens über mehrere Generationen ist die Fortpflanzung der Familie. Schwiegerkinder sind daher in den meisten Unternehmerfamilien grundsätzlich sehr willkommen. Trotzdem ist ein häufiger Konfliktpunkt in unserer Beratung von Familienunternehmen der Umgang mit angeheirateten Familienmitgliedern.
Keineswegs sind diese pauschal als kritischer Punkt in einem Familienunternehmen zu sehen. Nicht wenige Ehepartner bieten ihrem im Unternehmen tätigen Partner moralische Unterstützung und ermöglichen ihm oder ihr die Konzentration auf die Aufgaben im Unternehmen. Sie wirken im Hintergrund ausgleichend, leisten dadurch einen entscheidenden Beitrag zur Harmonie in der Familie und erfahren dafür Anerkennung durch die Ursprungsfamilie.
Hingegen werden in manchen Familien neue Mitglieder wie Eindringlinge behandelt. Statt offen, freundlich und fair, begegnet man ihnen mit Misstrauen. Dahinter kann die Angst vor großen Unterschieden zwischen der eigenen und der mitgebrachten Familienkultur stecken. Das ist völlig natürlich und verständlich, denn diese Unterschiede können in allen Familien zu großen Konflikten führen, nicht nur in Unternehmerfamilien, wo sie allerdings das Familienvermögen gefährden können. Familienmitglieder mit großen Differenzen in der Herkunft, religiösen Ansichten oder der Familienkultur werden häufig auch für das Desinteresse späterer Generationen an der unternehmerischen Führung des Familienunternehmens und einer Entfremdung von der Ursprungsfamilie verantwortlich gemacht. Für Unternehmerkinder ist es sehr vorteilhaft, von Anfang an ein Bewusstsein für die teilweise sehr alte Familientradition als Erfolgsfaktor zu bekommen. Lernen sie das Unternehmen von klein auf kennen und schätzen, beispielsweise durch Besuche im Unternehmen, durch Erzählungen oder vielleicht auch einer regelmäßigen, aktiven Mitarbeit über einige Stunden, erleichtert das ihre Entscheidung, ob sie im Sinne der Familie das Unternehmen weiterführen können oder wollen.
Auch die Verflechtung der persönlichen Interessen einzelner Mitglieder mit den wirtschaftlichen Anforderungen und der Gewinnorientierung des Unternehmens gibt oft Anlass zu Streitigkeiten. Die einen reinvestieren in die Zukunft des Unternehmens, die anderen schöpfen lieber große Teile des Vermögens für persönliche Anschaffungen ab. So kann der Umgang mit Krisensituationen des Unternehmens kritisch werden.
Die Stärke von Familienunternehmen in Krisenzeiten basiert auf der Bereitschaft, für das Unternehmen und die Fortbeschäftigung der Mitarbeiter zu kämpfen und viel Zeit und möglicherweise auch Privatvermögen zu investieren. Trägt der angeheiratete Partner diese Maßnahmen nicht mit, ist der Fortbestand des Unternehmens gefährdet. Manchmal wird nur aus gekränkter Eitelkeit, aus verletzten Gefühlen, Rivalität, Neid, Missgunst oder subjektiver Empfindlichkeiten die Kooperation verhindert, z. B. wenn ein angeheiratetes Familienmitglied das Gefühl hat, mehr zurückstecken zu müssen, als die ebenfalls angeheiratete Schwägerin. Ein Streit zwischen im Unternehmen aktiven Familienmitgliedern wird von ihnen befeuert, indem sie sich aus dem Hintergrund einmischen, Partei ergreifen und damit den Konflikt im Unternehmen noch anheizen, statt ausgleichend zu wirken.
Aber es wäre zu kurz gegriffen, stets die neuen Familienmitglieder als Ursache für einen Familienstreit zu sehen. Nicht selten müssen sie auch als Sündenböcke herhalten, für alles, was in der Unternehmerfamilie schief läuft. Ihre spezielle Rolle in der Kombination von Familien- und Unternehmersystem macht sie zu einer perfekten Zielscheibe. Leicht wird ihnen unterstellt, von Geldgier getrieben zu sein, möglicherweise auch deshalb, weil die Konstellation der geldgierigen Ehefrau eines Unternehmers gerne Thema der Presse ist.
Im Kontext der Unternehmensnachfolgen stellt sich dann die Frage, wer in den Prozess der Unternehmensnachfolge eingebunden werden soll und wer bewusst nicht. Auch die Möglichkeit einer Scheidung muss bedacht und dafür vorsorglich eine Regelung getroffen werden. Das kann seitens der Ehepartner ein gut ausgearbeiteter Ehevertrag sein, aber auch ein Testament des Ehepartners, dem Anteile am Familienunternehmen gehören. Nachträglich formulierte Eheverträge von Ehen mit mehrjährigem Bestand, stoßen erfahrungsgemäß meist auf große Widerstände. Sie können Hoffnungen und Erwartungen, die im Stillen existierten, zunichte machen und dadurch zu großer Enttäuschung führen. Je nach individueller Umgangsweise des angeheirateten Familienmitglieds mit solchen Situationen, kann das dann schnell in einen Familienstreit münden.
Unserer Erfahrung nach ist die beste Vorgehensweise eine frühzeitige Planung des Übergabeprozesses. Zunächst muss sich die Kernfamilie über ihre Einstellung zum Vermögen und dessen Umgang damit verständigen. In einem formalen Prozess, ist aus unserer Sicht zur Vermeidung unnötiger Konflikte professionell von einem externen Berater moderiert werden sollte, werden dann die angeheirateten Familienmitglieder über die Wertedefinition, die Ansichten und Ideen der Kernfamilie informiert. Es ist sehr wichtig, dass die Erwartungen der Unternehmerfamilie an das Schwiegerkind von Beginn an klar kommuniziert werden.
Auch für die Dazugekommenen ist das bedeutend, um ein Gefühl dafür zu haben, wann Grenzen verletzt werden. Aus der Sicht des Schwiegerkindes verbindet es sich durch die Heirat nicht nur mit einem Ehepartner, sondern quasi auch mit einem Unternehmen und der dazugehörigen Familie. Eine Unternehmens- und Familiencharta trägt in der Regel entscheidend zum Frieden in der Unternehmerfamilie bei, oder kann zumindest Konflikte soweit entschärfen, dass sie das Unternehmen nicht gefährden.
Neben Regelungen für das Unternehmen, wie beispielsweise die Verteilung der Unternehmensanteile oder der freiwillige Austritt eines Familienmitglieds aus dem Unternehmen, lassen sich auch Regelungen im Falle einer Scheidung oder für die Kommunikation nach innen und außen treffen. Für den Unternehmenseigner empfiehlt sich die Erstellung eines Testaments vor der Übertragung des Unternehmens an die Familienmitglieder.“