Wie kann ein Zickenkrieg zwischen Schwestern entschärft oder verhindert werden?

Zickenalarm in unserer Kaufmannsfamilie! Das jüngste Mädchen der Familie, Anna die Anspruchsvolle, ist nun fast erwachsen. Sie ist ein wunderschönes, anmutiges Mädchen mit viel Charme, den sie nutzt, um ihren Vater für sich einzunehmen. Auch sie wird bald in das Unternehmen nachrücken und hat mit ihrem Vater schon einige Unternehmensbereiche besucht.

Konstanze die Konstruktive befürchtet, dass nun ein erneuter Zickenkrieg zwischen Hilde der Hinterlistigen und Anna der Anspruchsvollen ausbricht, wie damals zwischen ihr und Hilde, als die beiden Mädchen frisch im Unternehmen eingesetzt wurden. Hilde verstand es  vortrefflich, ihren Vater um den Finger zu wickeln und immer wieder Vorteile für sich herauszuschinden. Ihren Vater hatte sie so lange bearbeitet, bis er die Geschwister nicht entsprechend der Geburtenfolge einsetzte und damit seinem Vorsatz untreu wurde. Konstanze war über die offensichtliche Bevorzugung ihrer Schwester nicht zum ersten Mal enttäuscht. Aber sie wehrte sich nicht, denn in der Vergangenheit zeigte ihr Vater nie Einsicht, wenn sie vorsichtig dieses Thema angesprochen hatte.

Günther der Gütige wollte die beiden Schwestern, die sich in der Familie eher aus dem Weg gehen, in einen engeren Kontakt bringen. Deshalb erteilte er ihnen Aufgaben, die sie gemeinsam erledigen sollten. Diese wurden immer nach dem gleichen Muster umgesetzt; Hilde suchte sich die für sie interessantesten Teile heraus, erledigte diese in aller Ruhe und die stets gewissenhafte Konstanze erledigte den Hauptteil der Arbeit und die Teile der Schwester, die diese nicht rechtzeitig erledigt hatte. Das Lob für die erfolgreich bewältigte Aufgabe heimste sich dann Hilde die Hinterlistige ein, die stets einen günstigen Augenblick abwartete, um das Ergebnis in Abwesenheit ihrer Schwester dem Vater zu präsentieren. Konstanze die Konstruktive hielt sich in für sie typischer Weise damit zurück, die Tatsachen anzusprechen und hoffte darauf, dass ihr Vater ihre Fähigkeiten noch honorieren würde. Es dauerte einige Jahre, bis sie das Gefühl hatte, vom Vater die gleiche Anerkennung zu erhalten, aber nun droht ein erneuter Zickenkrieg.

Uns sind solche Situationen aus der Beratung in der Unternehmensnachfolge bekannt. Hier erklären wir, dass es wie bei allen anderen Geschwisterkonstellationen, auch bei der Konstellation „Schwester-Schwester“ eine Interaktion zwischen zwei Systemen gibt, die nach vollkommen unterschiedlichen Regeln ablaufen, dem Familiensystem und dem Unternehmenssystem. Jede Geschwisterkonstellation hat ihre Besonderheiten und wirkt entsprechend unterschiedlich auf beide Systeme.

Wie die Geschwisterforschung zeigt, ist die Beziehung zwischen zwei Schwestern oft besonders innig und von gegenseitiger Unterstützung und Vertrauen geprägt. Ein gesunder Wettbewerb untereinander kann hier Antrieb und Ansporn für eine individuelle und freie Entwicklung sein, insbesondere dann, wenn die Eltern eine emotionale Sicherheit bieten. In der Unternehmensnachfolge trägt die solidarische Beziehung dann zum Erfolg des Unternehmens bei und kann den Schwestern gute Möglichkeiten bei der Realisierung ihres Lebensentwurfes bieten, z. B. wenn sich die Schwestern bei Erfüllung des Kinderwunsches in der Vertretung ihrer Position im Unternehmen gegenseitig vertrauen können.

Es gibt aber auch Beziehungen, in denen die Schwestern besonders um die Aufmerksamkeit des Vaters buhlen. Bei Söhnen in der Nachfolge ist die Aufmerksamkeit und Wertschätzung ebenfalls bedeutend, aber es werden andere Methoden angewendet, wie beispielsweise offen ausgetragene Machtkämpfe.

Im Gegensatz dazu zeigt sich das Buhlen der Töchter um die Aufmerksamkeit des Vaters oft subtil, wie über ein Einsetzen von Charme, ein „um den Finger wickeln“, einer offen gezeigten Bewunderung für den Vater, oder über die Anpassung ihres Verhaltens oder der Zielorientierung an die Erwartungen des Vaters. Ist das aus der Sicht der Schwestern allein nicht zielführend, können unfaire Techniken hinzukommen, wie beispielsweise dem Herunterspielen der Leistungen der Schwester, dem Verdrehen von Tatsachen, dem Vorenthalten wichtiger Informationen, dem Aufbauschen fachlicher Lücken, oder dem Hochspielen kleiner Fehler. All das wird oft beiläufig erwähnt, so dass der Vater sich nicht genötigt fühlt, den Umstand offen anzusprechen bzw. zu hinterfragen. Zudem werden diese Praktiken hinter dem Rücken der Schwester angewandt, was ihr die Möglichkeit zur Richtigstellung oder Verteidigung verwehrt. Als Geschwister sind ihnen natürlich die wundesten Punkte der anderen bekannt, wodurch sie emotional angreifbarer und verletzbarer sind.

Der Wettbewerb untereinander kann durch das Verhalten des Vaters zusätzlich befeuert werden, indem er die vielgeleugnete Lieblingstochter für die Nachfolge oder der höchsten Position im Unternehmen präferiert und die Auswahl nicht professionell, fair und nach klaren Regeln vornimmt, so dass die geeignetste Tochter nicht zum Zug kommt. Die sich daraus entwickelte Dynamik des unfairen Wettkampfs untereinander, hat in der Folge negative Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg.

Die Statistik* zeigt, dass familieninterne Nachfolgen von Söhnen etwas rückläufig sind, dagegen aber immer mehr Töchter als Geschäftsführerinnen in Familienunternehmen eingesetzt werden. Kommt es dabei zu den beschriebenen Konflikten, kann hier nur durch einen „neutralen Dritten“ in Form eines erfahrenen Nachfolgeberaters geprüft werden, inwieweit es möglich ist, die Konflikte soweit zu entschärfen, dass sie das Unternehmen nicht gefährden und den Vater als Unternehmensübergeber davon zu überzeugen, welche der Töchter am besten für die Nachfolge geeignet ist.

Ist das Unternehmen groß genug, kann eine Aufteilung in verschiedene Unternehmensbereiche nach dem Beispiel der Firma Roeckl in Erwägung gezogen werden. Ein in diesem Thema erfahrener Unternehmensberater verfügt über die Kenntnis sämtlicher möglicher Konstrukte zur Unternehmensnachfolge und kann auch bei der Ausformulierung einer Family Business Governance beraten.

*Statistik des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Bildquelle: Sammlung Staatsgalerie Stuttgart

Christoph Amberger (zwischen 1500 u. 1505 – 1561/62)
Jörg Hermann, 1530
Lucas Cranach (1515-1586)
Bildnis der Agnes von Hayn, geb. von Rabenstein, 1543
Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553)
Judith mit dem Haupt des Holofernes, um 1530